Selfmade Man, also Millionär aus einer Kraft? Da fallen mir zuerst die großen Namen ein: John D. Rockefeller, Henry Ford oder Benjamin Franklin. Allesamt Männer. Selfmade Women entstammen eher der Jetztzeit. Glaubte ich. Umso großartiger war es, die Netflix-Miniserie über Madame C.J. Walker, der ersten weiblichen Selfmade Millionärin aus 1919, zu entdecken.
„From rags to riches“, also „von Lumpen zum Reichtum“, beschreibt perfekt den sozialen Aufstieg der Sarah Breedlove, der späteren Madame C.J. Walker. Die früh verwaiste und verwitwete Afroamerikanerin wusch in den Südstaaten schmutzige Wäsche, für einen Dollar am Tag, um sich und die Tochter durchzubringen. Als Gründerin eines Haarpflege-Unternehmens steigt sie zu einer der bekanntesten weiblichen Führungspersönlichkeiten der USA auf. Die Marke C.J. Walker Beauty Culture existiert noch heute und wird exklusiv bei Sephora vertrieben.
Gründeridee
Ihr eigenes Problem ausfallender Haare, brachte Sarah mit der Mulattin Annie Malone zusammen, die Fluch und Segen zugleich für sie war. Deren Balsam ließ Sarahs Haar und ihr Selbstbewusstsein wachsen. Doch ein Einstieg in den Betrieb wurde der schwarzen Sarah verwehrt. Annie Malone sollte über Jahre ihre härteste Konkurrentin bleiben.
Inspiriert von Malones Haarbalsam, machte sich die junge Frau daran, die Rezeptur zu ergründen und Haarpflege für schwarze Frauen auf eigene Faust zu produzieren. Es gelang und Sarah bewies Verkaufstalent bei jeder einzelnen Kundin, indem sie authentisch mit ihrer eigenen Geschichte warb. Schon 1910 funktionierte also Storytelling, zum dem heute jedem Start-up geraten wird.
Herausragende Unternehmerin
Neben dem Verkaufsgeschick und einem schier unermüdlichen Fleiß zeigt Sarahs Geschichte auch heutigen Gründerinnen, wie wichtig es ist, in größeren Strukturen zu denken. Ganz gleich, ob es der Umzug in die Großstadt, der Beauty Salon in New York, die Produktion in der ersten eigenen Fabrik oder der Aufbau einer Marke waren. Nie ruhte sich die Unternehmerin auf ihren Erfolgen aus. Der Vertrieb über tausende Walker-Repräsentantinnen, die als „Beauty Culturists“ ein komplettes Walker-Pflegeprogramm verkauften, sowie die Promotion über ihre eigene Person machten Madame C.J. Walker überall in den Vereinigten Staaten und später auch in der Karibik bekannt.
Frauenbild
Eines ihrer größten Probleme war, Finanziers für ihre Vorhaben zu finden. Nicht, weil die Idee nicht überzeugte, sondern weil sie farbig und eine Frau war. Selbstbewusst bis hin zur Starrköpfigkeit, so zeigt sich die brillante Schauspielerin Octavia Spencer als stattliche Madame C.J. Walker. Und zeichnet damit das Bild einer Frau, die Anfang der 20iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unbequem sein musste, wenn sie ihren Weg gehen wollte. Und sie ging ihn, allen Hürden wie Industriespionage, Betrug und Krankheit zum Trotz. Der Ehemann, der ihr zunächst den Rücken stärkte, kam immer weniger mit ihren unternehmerischen Visionen und ihrer Selbständigkeit zurecht, bis die Ehe zerbrach.
Die vierteilige Serie ist sicherlich kein Popcorn-Kino. Das Drama zeigt Höhen und Tiefen eines sehr bewegten Lebens. Künstlerischen Verfremdungseffekte wie ein Boxkampf der Kontrahentinnen Walker vs Malone, die in jeder Folge eingestreut werden, haben eher irritiert als unterhalten. Dennoch ist die Walker-Story fesselnd vom Anfang bis zum Schluss.
Übrigens: Zuletzt zeigt es die Selfmade Woman noch einmal allen. In nächster Nähe zu den Rockefellers erbaut sie die Villa Lewaro in Irvington, New York und machte es zum Mittelpunkt einer erstarkenden schwarzen Community.