Selbst Frauen, die keinem Klischee entsprechen, werden manchmal ganz traditionell. Nämlich dann, wenn es um den berühmten, schönsten Tag im Leben geht. Wenn auch das Brautkleid kein Traum aus Tüll ist, so soll es doch die Persönlichkeit der Trägerin widerspiegeln. Von romantisch verspielt und unangepasstem Bohème-Look, über glamourös und elegant wie von Chanel bis hin zu nachhaltigen Teilen. Das Spektrum ist unendlich facettenreich.
Mit Charlott König, Maßschneiderin im Atelier
KÖNIGlich Brautmoden
im Raum Gießen habe ich mich über die Wünsche heutiger Bräute, vor allem aber über Kosten eines maßgeschneiderten Brautkleids unterhalten.
Charlott beobachtet in ihrem Atelier, dass sich vorwiegend junge, kreative Frauen ein maßgeschneidertes Brautkleid wünschen. Die Traumvorstellungen nähren sich dabei aus Social Media Plattformen wie Pinterest und Instagram. Zudem wählen Frauen für die zweite Hochzeit ein Kleid, in dem sie ganz sie selbst sein können, weiß die Profischneiderin.
Viele arrangieren sich mit dem nicht enden wollenden Lockdown und heiraten dennoch in ihrem Traumkleid – wenn auch in kleinerem Rahmen.
Welche Brautkleider liegen im Trend?
Auf den Leib geschneidert werden in Gießen derzeit verstärkt Bohemian-Zweiteiler. Etwa ein Rock mit Spitzenoberteil. „Das geht bis hin zu dreiteiligen Kombinationen. Der Rock wird am Hochzeitstag abends gegen eine Culotte getauscht“, berichtet die detailverliebte Schneiderin. Und zeigt praktisch auf, wie das Spitzenoberteil beispielsweise später zur Jeans getragen werden kann. Sie bemerke auch, dass ihre Kundinnen über den besonderen Tag hinaus denken. Nachhaltigkeit hält eben auch in der Hochzeitsindustrie Einzug.
Was kostet das Material für ein Brautkleid?
Große Unterschiede gibt es bei den Materialien. Während ein schlichtes Kleid aus Satin mit Materialkosten von 100 bis 300 Euro zu Buche schlägt, wird es bei Spitze teurer. Bis zu 1.000 Euro kostet hochwertiges Spitzenmaterial mit Perlen und Pailletten. Auch Chiffon wird häufig vernäht. In der synthetischen Variante ist er preisgünstig. Als Seidenchiffon kann er gut und gerne das Dreifache kosten. Wildseide sei eine gute Alternative, weiß Charlott. Eine schöne Naturfaser mit Top Eigenschaften. Was ich nicht wusste: die etwas abschätzig betrachtete Viskose basiert auf natürlicher Zellulose. Der Profi-Tipp von Charlott: Innenfutter mit Viskose-Batist liegt natürlich auf der Haut und ist dennoch preisgünstig.
Ein Brautkleid braucht Zeit
Aber wieviel? Bei Brautkleid KÖNIGlich werden mindestens sechs Stunden für ein schlichtes Kleid veranschlagt. Bis zu 20 Stunden muss man für aufwändigere Kreationen mitbringen. Dazu gehört der Kennenlerntermin mit Ideenfindung und Maßnehmen, die erste Anprobe mit Anpassungen sowie das finale Fitting. Vier bis sechs Monate vor der Hochzeit sollte das Kleid in Auftrag gegeben werden. Wirft Charlotte den Express-Service an, stellen fleißige Hände das Werk innerhalb von vier Wochen fertig. Gut zu wissen: gibt man nach dem ersten Termin ein Kleid in Auftrag, wird eine Vorkasse von 50 Prozent fällig.
Lohnt es sich Brautkleider umarbeiten?
„Es ist ein schöner Brauch, im Kleid von Mama oder Oma zu heiraten“, beginnt die Textilexpertin, weiß aber auch, „Upcycling von Hochzeitskleidern ist zum Teil sehr aufwendig. Die alten Stoffe halten das durchaus aus, aber günstig es nicht“. Sie selbst arbeitet Vintage-Brautkleider um und macht daraus auch schon mal ein kurzes Crop Top. Sie mochte die Idee einer Kundin, die ein Spitzenkleid in Pudertönen umarbeiten ließ. Tülllagen flogen raus, die Maßanfertigung wird nun als Abendkleid getragen.
Strich drunter: Was kostet ein maßgeschneidertes Brautkleid?
Die individuelle Maßarbeit kostet unterm Strich nicht mehr, als wenn man ein Hochzeitsensemble von der Stange nimmt und Änderungskosten zahlt. Charlotts Angebot beginnt mit einem schlichter Jumpsuit für 700 bis 800 Euro. Das teuerste Traumkleid, das jemals das Atelier verließ, schlug mit 2.800 Euro zu Buche. Im Schnitt geben ihre Kundinnen 1.800 Euro aus und liegen damit genau in der Mitte der bundesdeutschen Heiratswilligen (1.300 bis 2.400 Euro). Dafür hat die Braut ein individuelles, perfekt auf den Körper angepasstes Traumkleid, in dem sie spürt „Das bin ich!“.
Fotos: Anna Ranft